Auf dem Friendship - Highway von Zangmu nach Lhasa 2005
Unsere Reise begann mit dem etwas mühsamen Grenzübertritt vom nepalesischen Kodari nach Zangmu im Tibet. Nach einer Wartezeit von etwa 2 Stunden auf der berühmten Friendship-Bridge, inkl. Gesundheits-Check, konnten wir endlich ins Tibet einreisen. Da es nicht möglich ist individuell in dieses Land einzureisen mussten wir Mitglied einer Reisegruppe von mindestens 5 Personen sein und zusätzlich ein Gruppenvisum für China mit Sichtvermerk fürs Tibet haben. Zwischen dem Vorposten der tibetischen (chinesischen) Grenze bis zum tatsächlichen Grenzübergang in Zhangmu galt es einige Kilometer Niemandsland mit mehr als 800 Meter Höhendifferenz zu überwinden. Die einspurige "Serpentinenstrasse" zwischen den beiden Städten glich einer lehmverschmierten Rutschbahn, wir staunten ob den entgegenkommenden Lastwagen, die alle auf der abfallenden Seite der Strasse fuhren und eigentlich nur etwa eine Handbreite Abstand zum Abgrund hatten. Wir dachten dass wir nun alle Kontrollen überwunden hätten, aber 1,5 km nach der Grenze durften wir in Zhangmu dann nochmals eine Zollkontrolle passieren, hier wurde unser Gepäck durchleuchtet und die Pässe nochmals kontrolliert. Der Ort, der an einem sehr steilen Hang errichtet wurde, besteht nur aus einer einzigen Strasse, an deren Rand viele LKW’s auf die Zollkontrolle warten um dann die Waren von Nepal nach China transportieren zu dürfen. Nachdem wir eine Nacht hier verbrachten hatten begann unsere eigentliche Reise ins Tibet. Der Überlandweg von Nepal nach Lhasa führte über den 1’000 km langen Friendship-Highway durch die grandiose Berglandschaft des Himalayas. Die spektakuläre Fahrt von Kodari durch das weltvergessene und eine göttliche Ruhe ausstrahlende Bhote Kosi Tal hinauf auf das tibetische Plateau führte uns an vielen Schluchten und Wasserfällen vorbei. Nach etwa 2½ Stunden Fahrt erreichten wir den Nielamu-Pass, auf einer Höhe von 3’800 M.ü.M. konnten wir eine wunderschöne Aussicht auf die endlose Weite des tibetischen Hochlands und die schneebedeckten Gipfel der Sieben und Achttausender des Himalaya-Massives, die sich gegen den tiefblauen Himmel abzeichneten, geniessen. Hier sahen wir auch zum ersten Mal rote, blaue, grüne und gelbe im Winde flatternde Gebetsfahnen, die uns fortan auf der ganzen Reise begegneten. Wir fuhren an vielen kleinen tibetischen Dörfern vorbei und kamen auch zur Abzweigungstafel zum Everest Base Camp, welches sich nur noch etwa 100 km von uns entfernt befand. Nach einer etwa zweistündigen Fahrt erreichten wir das Städtchen Tingri, dass auf einer Höhe von 4’400 m liegt. Tingri ist ein kleiner Ort mit einigen Hotels, die für Durchgangsreisende gedacht sind, hier bezogen wir Quartier in einem gemütlichen Gästehaus. Nun machte sich auch langsam die dünne Luft auf dieser Höhe bemerkbar. Am anderen Tag setzten wir unsere Fahrt auf einer endlos scheinen und sich fast schnurgerade durch die karge Landschaft ziehen Strasse fort die eher einer Schotterpiste oder einem Bachbett ähnlich war. Da und dort trafen wir auf tibetische Nomaden mit ihren Yakherden. Auf dem Weg zum höchsten Punkt unserer Reise, dem 5’220m hohen Gyatsola-Pass, begegneten uns immer wieder Velofahrer, die rund 1000 Kilometer von Lhasa nach Kathmandu zurücklegten. Auf der Passhöhe erwartete uns ein atemberaubender Blick auf den Mount Everest und die ihn umgebenden 8’000er. Nach etwa 2½ Std. Fahrt erreichten wir das Sakya Kloster, das Hauptkloster der Sakya-Sekte die dem tibetischen Buddhismus angehört. Es ist die Bezeichnung für das Gründungs-und Stammkloster der Sakyaschule, welche zu den vier grossen buddhistischen Schulrichtungen Tibets zählt. Sakya ist auch der Name des Verwaltungsbezirkes. Leider war das Nordkloster weitgehend zerfallen, lediglich die von riesigen Säulen getragene zweistöckige Haupthalle ist bis heute erhalten geblieben. Auf unsere Fahrt zu den tibetischen Klöstern ging es weiter nach Shigatse, der zweitgrössten Stadt des Landes mit 46’000 Einwohnern, Sitz der Panchen Lamas, die als Inkarnation von Buddha Amithaba gelten. Shigatse ist eine Stadt mit breiten Asphaltstrasse, zwei, drei Ampeln, zwei-und dreigeschossigen Häusern im neu-tibetischen Stil, Internetcafés und Handy-Läden und einem grossen Markt. In dieser modernen kalten Stadt erinnerte nicht mehr viel an die tibetische Kultur. Wir übernachteten hier im Shigatse Hotel, einem typisch tibetischen Touristen Hotel mit vielen Reisebussen auf dem Parkplatz. Am nächsten Morgen besichtigten wir das Tashi Lhunpo Kloster. Der Besuch dieses Klosters war ein weiterer Höhepunkt unserer Reise, der Ort ist eines der sechs grossen Zentren aus Tibets grosser buddhistischer Vergangenheit. Es wurde 1447 vom ersten Dalai Lama gegründet, der übrigens auch hier beigesetzt wurde. Im riesigen Tempelkomplex leben heute noch 700 Mönche (einst waren es über 3’000). Am nächsten Tag erreichten wir auf einer sehr holprigen Strasse das nur 90 km entfernte Gyantse, das den Charme einer traditionellen tibetischen Stadt noch weitgehend bewahrt hat. Schon von weitem leuchtet uns der Gyantse Dzong, ein aus dem 14. Jahrhundert stammendes Fort, entgegen. Mit seinen gewundenen Gassen und den typisch tibetischen zweistöckigen Häusern, seinem Markt und den Nomaden, ist Gyantse genauso wie man sich eine tibetische Stadt vorstellt. Hier besuchten wir den charakteristischen Pelkor Chode, ein Kloster des Sakya Ordens. Der 15. Jh. erbaute „Kumbum", ein begehbarer Tempel, ist eines der bedeutendsten Bauwerke tibetischer Kunst. Auf sieben Etagen beherbergt er 85 teilweise begehbare Kapellen mit insgesamt fast 30'000 Buddha-Darstellungen. Er enthält eine Menge Zahlenmystik (Höhe, Durchmesser, Anzahl Türen), Daten, welche nach tibetisch buddhistischer Zahlenmystik aufeinander abgestimmt sind. Natürlich bestiegen wir den Stupa Stockwerk für Stockwerk, so dass wir ziemlich geschafft das Dachgeschoss erreichten. Der Aufstieg hatte sich gelohnt, von hier oben konnten wir einen schönen Ausblick auf die Stadt geniessen. Nun trennten uns nur noch zwei weitere 5’000 m hohe Pässe von Lhasa. Zuerst überquerten wir den 5’050 m hohen Karo-La, hier lag das ewige Eis des Nayun-Gletschers nur etwa 300 m von der Strasse entfernt. Eine landschaftlich grossartige Strecke führte über den 4’794 m hohen Kampa-La, auf dessen Passhöhe tausende von Gebetsfahnen im Wind wehten und aufeinander gestapelte Steinhaufen zu sehen waren. Von hier eröffnete sich uns ein phantastischer Blick auf das Tsangpo-Tal und auf einen der grössten Seen Tibets, den blaugrünen Yamdrok-Tso. Ein unvergesslicher Anblick, der kaum in Worte zu fassen ist .Kurz vor Lhasa machten wir nochmals einen kleinen Halt. Beim Besuch einer tibetischen Familie in ihrem bescheidenen Haus lernten wir die Lebensweise der Tibeter kennen und durften den für uns gewöhnungsbedürftigen, ranzig schmeckenden typischen Butter-Tee kosten. Und dann kamen wir in Lhasa an. Wir erwarteten eine mystische und rückständige Stadt, aber aus der Stadt der Götter wurde in den letzten 20 Jahren eine moderne Stadt, mit Glaspalästen, Kaufhäuser und Banken, so gleicht die Hauptstadt Tibets mehr und mehr einer chinesischen Provinzstadt. Die Götter haben wirklich nur noch in der tibetischen Altstadt einen Platz. Am anderen Morgen machten wir uns auf den Weg zur Stadtbesichtigung. Als erstes stand der in majestätischer Schönheit hoch oben auf dem „Roten Berg“ thronende Potala Palast, das Wahrzeichen der tibetischen Hauptstadt Lhasa, auf dem Programm. Es war ein gigantischer Anblick wie er mit seinen 1.000 Räumen und unzähligen Kapellen, rot und weiss als Wahrzeichen in den Tibetischen Himmel ragte. Der Aufstieg brachte uns gewaltig zum schnaufen, wir spürten, dass wir uns auf 3’700 m befanden und beim Gehen besser einen Gang zurückschalten sollten. Der sagenumworbene Palast, der mit seinen 13 Stockwerken eine Fläche von 130’000 m² bedeckt und das Tal von Lhasa um 117 Meter überragt, war mehrere Jahrhunderte das politische und religiöse Zentrum Tibets. Seit die sozialistische Regierung Chinas den 14. Dalai Lama im Jahr 1959 vertrieben und das Land besetzt hat, dient der Tempel als Museum. Heute ist Potala ohne den Dalai Lama nur eine leere Hülle, jedoch zugegebener Maßen eine ziemlich imposante. Anschliessend begaben wir uns zum Barkhor, die am besten erhaltene Strasse des alten Lhasa, diese umschliesst den ganzen Jokhangkomplex. Der Weg führte uns durch die verwinkelten Gassen und Bazare der Altstadt, hier konnte man das bunte Treiben der Marktleute betrachten. Die Besichtigung des Jokhang-Tempels, der Allerheiligste Tempel der Tibeter im Zentrum Lhasas, war natürlich ein „Muss“ für uns. . Er ist der älteste buddhistische Tempel Tibets und auch noch heute ein Ziel unzähliger Pilger aus dem ganzen Land. Jeder Tibeter und jede Tibeterin versucht mindestens einmal im Leben den Tempel zu besuchen. Denn wenn man diesen einmal besucht hat wird die Gefahr einer schlimmen Wiedergeburt beseitigt. Beim zweiten Mal erlangt man die Verkörperung als Deva oder Mensch und kann die Erlösung erreichen und beim dritten Mal. tilgt man die drei schlimmen Gifte aus der Seele. Wenn dem so sein sollte bleibt uns auf jeden Fall die schlimme Wiedergeburt erspart. Im Innern des Tempels gab es unzählige Buddhas in allen denkbaren Grössen und schöne Wandmalereien zu sehen, der Weihrauchgeruch, die unzähligen Yak-Butter-Kerzen liessen eine einzigartige Stimmung entstehen. Auch die vielen Mönche gehörten zum Bild dieses Ortes. Dach des Jokhang, die Firste und Traufen sind mit vergoldeten Drachenköpfen und Fabelwesen in verschiedenen Gestalten verziert. Man sagt alles würde anfangen magisch zu leuchten sobald die Sonne untergeht. Von hier oben hatten wir eine wunderbare Aussicht auf den Potala Palast, auf den zentralen Platz der Altstadt und auf die umliegenden Berge. Von hier aus konnten wir auch den Strom an Pilgern beobachten, die den Tempel im Uhrzeigersinn umrundeten und dabei ihre Gebetsmühlen drehten. Gebetsfahnen flattern wie überall im Wind, in der Luft lag der Duft von Weihrauch aus den Weihrauchöfen und der weisse Rauch trugen die Gebete der Pilger zu den Göttern empor. Am Tag bevor wir wieder nach Nepal zurückflogen besuchten wir das ungefähr 8 km westlich von Lhasa in herrlicher Hanglage gelegene Drepung-Kloster, und wieder galt es steile Wege zu bewältigen, um das Kloster zu besichtigen. Unzählige Gassen führten kreuz und quer durch den Baukomplex. Die Anlage hat eine Fläche von mehr als 200 000 m2, zu seiner besten Zeit im 17.Jahrhundert war es das reichste und grösste Kloster Tibets. Damals lebten hier mehr als 10.000 Mönche, heute sind es davon nur noch knapp 1.000 .Hier befinden sich die Grabstupas des 2., 3. und 4. Dalai Lama. Die grosse Versammlungshalle von Drepung soll angeblich zu den grössten und prächtigsten in Tibet gehören. Im Innern ging es recht lebendig zu, immer wieder begegneten wir Pilgern die Butterlampen mit Butterklümpchen oder flüssiger Butter aus mitgebrachten Thermoskannen auffüllten, oder Bündeln von kleinen oder auch grösseren Scheinen in die Opferschalen oder den Schrein warfen. Das Wort "Drepung" heisst Übersetzt übrigens "Sack Reis". aber warum das Kloster diesen Namen bekommen hat ist nur eine Vermutung. Vielleicht liegt es daran, dass es von weitem so aussieht, als wenn weisse Reiskörner auf die Berge gestreut worden wären. Zum Schluss unseres Aufenthaltes unternahmen wir noch einen Spaziergang durch den "Juwelengarten" Norbulinka. Mit dem Bau dieser riesigen Parkanlage, welche sich auf einer Fläche von 360'000 m² erstreckt, wurde im 18. Jh. begonnen. Der Norbulingka war als Sommerresidenz des achten Dalai Lama geplant, aber die meisten Gebäude entstanden erst während der Herrschaft des 13. und 14. Dalai Lama. Im Frühling, wenn sich die Luft zu erwärmen begann verliess der Dalai Lama den Potala und zog in einer grossen Prozession zum Norbulingka. Hier lebte der 14. Dalai Lama als die chinesische Armee 1959 Lhasa angriff. Er floh mit seinem Gefolge bei Nacht und Nebel nach Indien. Beim Gang durch die Gemächer des Dalai Lama konnte man noch viele Dinge aus der damaligen Zeit erblicken. Wir besichtigten den Audienzraum, ein Vorzimmer, die Meditationskammer, das Schlafzimmer und schliesslich die Empfangshalle mit dem sagenhaft verzierten goldenen Thron.
Dann war unser letzter Tag im Tibet gekommen. Am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg zum Flughafen von "Lhasa-Gonggar", einem grossen modernen Gebäude. Da gerade ein hoher Politiker unterwegs vom Flughafen in die Stadt war musste unserer Fahrer einen Umweg von über 1 Stunde in Kauf nehmen da die Strassen deswegen zum grössten Teil gesperrt waren. Das war für uns zum Abschluss ein ganz spezielles Erlebnis. Nun wurde es Zeit, sich wieder von Lhasa zu verabschieden, mit dem Flug über die Himalayakette nach Kathmandu ging für uns eine unvergessliche Reise zu Ende.
Tibet ist ein Land ohne Gleichen, ein magisches Reich, dominiert durch einen intensiven blauen Himmel und überragt durch die höchsten Gipfel der Welt. Trotz grösster Bemühungen ist es den Chinesen mit der so genannten Kulturrevolution nicht gelungen, die Mystik und Tradition der Menschen zu brechen.